Nach der raum_wagenden Zeit im Neulengbacher Zentrum war so eine kleine Auszeit in Kopenhagen wirklich angesagt. Drei Tage im Norden abtauchen. An sich hatte ich von mir immer gegelaubt, ich würde den Süden und die Wärme lieben - aber seit meinen Besuchen in Oslo, Stockholm, Amsterdam und nun auch Kopenhagen, merke ich, wie angenehm klar und entspannt es im Norden zugeht. Selbst Hamburg fand ich im Vergleich zu München schon viel offener und ruhiger.
Wenn ich so einen Stadtbesuch mache, dann ist es für mich immer ganz wichtig, mir die GEHgend zu ERGEHEN. Das heißt - früh raus, gute Schuhe, gutes Frühstück und dann bis zum Abend auf den Beinen. Je nach Wetterlage besuche ich auch gerne Kulturelles in Räumen - aber wirklich wohl fühle ich mich auf der Straße, auf den Wegen, in der Landschaft. Atmosphäre und Energie aufsaugen sozusagen. Mich im öffentlichen Raum bewegen, die Menschen, die Gerüche, die Geräusche um mich wahrnehmen - mit allen Sinnen.
Märkte eignen sich dafür natürlich besonders und die sind im Norden auch wirklich berauschend sinnlich für mich.
Was mir in Kopenhagen aufgefallen ist - na, dreimal könnt ihr raten - das waren die VIELEN RadfahrererInnen! Radfahrer haben in dieser Stadt für sich eine eigene Spur in beide Richtungen. ca 37% aller Kopenhagener fahren mit dem Rad - in den nächsten Jahren hat die Stadt das Ziel, dies auf 50% zu steigern. So kann man die Stadtentwicklung natürlich auch anlegen. Und das spannenste für mich - in den drei tagen zu Fuß quer durch die Stadt hat niemand gehupt, keine/r wie wild geklingelt, keine/r den Vogel gedeutet - allle sind gleichberechtigt durch die Stadt gekommen und das in einem normalen Tempo. Wenn ich dann doch mal einen Schritt auf die falsche Spur gemacht habe, dann ist der Radfahrer halt langsamer geworden oder hat gewartet. Einmal bin ich beim Zuschauen, wie sich so eine Radfahrerbrücke öffnet (für die Durchfahrt eines Schiffes) auf der falschen Seite gestanden und als die MENGE an RadfahrerInnen kam, konnte ich nicht mehr weg - dann sind sie halt alle ohne Murren an mir vorbei gefahren. Das war wirklich eine interessante Erfahrung!
Obwohl wir wirklich viel im Zentrum unterwegs waren, hatte ich nie den Eindruck der Hetzerei. Eine Stadt mit Menschen und weniger STEHzeugen hat eine andere Ausstrahlung. Nicht, dass nicht Autos unterwegs gewesen wären - es waren einfach nicht so viele und nicht in dieser Präsenz. Ich finde, wir geben dem Auto viel zu viel Aufmerksamkeit - den Fokus hier zu verschieben, würde uns gut tun, denke ich. Der öffentliche Raum sollte für die Menschen da sein und nicht für die Autos.
Was im Norden offensichtlich auch viel mehr Kultur hat, ist, dass man im öffentlichen Raum rumsitzt. Und Heizschwammerln oder Infrarotlampen für Outdoor sind dort üblich und gehören dazu. Man will draußen sitzen und stellt dazu Möbel auf, die dazu einladen - einfachst. Leise Musik dazu ist normal und es muss ja nicht gleich Beschallerung sein.
Bezahlt wird im Norden anscheinend lieber mit Karte, oft war der Hinweis ′only card′ zu lesen, beim Essen wird bestellt, gleich bezahlt und dann auf′s Essen gewartet. Bargeld war eher unbeliebt. (und ich hab mich endlich dank Neulengbach ans Bargeld mithaben gewöhnt ...)
Freundlichkeit wird groß geschrieben - nicht einmal hat man sich bei mir entschuldigt, weil man mich nicht gleich auf englisch angesprochen hat. Offen und herzlich, aber nie aufdringlich - eine sehr nette Mischung.
Über die Politik habe ich nicht so viel erfahren, außer, dass sich anscheinend die PolitikerInnen selber nicht sooo ernst nehmen - hm, das würde der österreichischen Politik vielleicht auch ganz gut tun (Empörung beherrscht das Land - aus meiner Sicht). Bemerkenswert ist der Freistadt
Christiania - atmosphärisch dicht, aber spannend zu ergehen und zu erlesen - mutige Menschen!